Stille Reserven: Bildung und Auflösung

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Jedes Unternehmen sollte (finanzielle) Reserven haben. Nur so hat es eine Chance, schlechte Zeiten zu überstehen. Allerdings gibt es auch Rücklagen, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind: die stillen Reserven.

Doch was versteht man eigentlich in der Schweiz unter stillen Reserven? Wie kann man stille Reserven berechnen und wie entstehen sie? Können stille Reserven wieder aufgelöst werden? Wie auch Sie von stillen Reserven profitieren können, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Was sind stille Reserven?

Stille Reserven sind verdeckte Rücklagen. Es handelt sich dabei um den potentiellen Wert, der in den Vermögenswerten oder Bilanzpositionen eines Unternehmens steckt, in der Buchhaltung allerdings nicht auftaucht. Stille Reserven entstehen dadurch, dass Vermögenswerte (Aktiva) unterbewertet oder Schulden (Passiva) überbewertet werden – also immer dort, wo bei der Bilanzierung Bewertungsspielräume entstehen.

Wie entstehen stille Reserven?

Stille Reserven können auf der Aktiv- wie auch der Passivseite der Bilanz entstehen. Üblicherweise werden entweder Vermögenswerte unterbewertet oder offene Forderungen überbewertet. Sie können bewusst gebildet werden, aber auch durch Fehler in der Kalkulation oder einfach durch die Inflation entstehen.

Im Folgenden einige konkrete Beispiele dafür, wie stille Reserven gebildet werden können:

Abschreibungen

Stille Reserven entstehen häufig im Zuge von Abschreibungen:

Schreiben Sie einen Wertgegenstand (zum Beispiel eine Maschine) nach dem Kauf über mehrere Jahre ab, wird er am Ende in der Bilanz nur noch mit einem Wert von CHF 1.- ausgewiesen. In der Regel ist der tatsächliche Wert dieser Maschine aber noch viel höher – dies zeigt sich allerdings erst dann, wenn sie verkauft wird. Aus der Differenz zwischen dem Wert in der Bilanz und dem tatsächlichen Marktwert ergibt sich eine stille Reserve.

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Abb.: Abschreibungen können zu stillen Reserven führen.

Eine weitere Möglichkeit, wie stille Reserven mittels Abschreibungen entstehen, sind die Abschreibungen von geringwertigen Wirtschaftsgütern. Denn Vermögenswerte von relativ geringem Wert werden üblicherweise direkt im Jahr ihrer Anschaffung vollständig abgeschrieben. Dennoch haben sie natürlich auch im darauffolgenden Jahr noch einen Wert, der allerdings nicht mehr in der Bilanz auftaucht.

Wertsteigerungen

Nicht jeder Wertgegenstand verliert nach dem Kauf an Wert. Bei manchen Vermögenswerten, wie beispielsweise Immobilien, nimmt der Wert in der Regel über die Jahre zu.

Allerdings wird in der Bilanz der Wert angegeben, zu dem Sie die Immobilie erworben haben. Steigt der Wert der Immobilie, während sie sich in Ihrem Besitz befindet, entsteht eine stille Reserve – da diese Wertsteigerung nicht in der Bilanz berücksichtigt wird.

Der aktuelle Marktwert der Immobilie spielt erst dann eine Rolle in der Bilanz, wenn Sie den Vermögenswert wieder verkaufen.

Immaterielle Vermögenswerte

Auch immaterielle Vermögenswerte wie Patente oder Markenrechte können zur Bildung von stillen Reserven führen.

Zum einen haben Sie bei einem eigenen Patent die Wahl, ob sie es in die Bilanz aufnehmen möchten. Weisen Sie es nicht in der Bilanz aus, das Patent schafft aber Wert in Ihrem Unternehmen, dann handelt es sich dabei um eine stille Reserve.

Zum anderen kommt es häufig zu Unterbewertungen von immateriellen Vermögensgegenständen. Schliesslich kann meist zu Beginn noch nicht genau kalkuliert werden, wie viel wirtschaftlichen Wert ein Patent wirklich hat, weshalb dieser Wert meist zu niedrig in der Bilanz angesetzt wird.

Fremdwährung

Macht ein Unternehmen auch in einer Fremdwährung Geschäfte, dann kann dies aus verschiedenen Gründen zur Bildung von stillen Reserven führen.

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Abb.: Geschäfte in Fremdwährungen können in stillen Reserven resultieren.

So zum Beispiel, wenn Fremdwährungsschulden und Verbindlichkeiten von Kunden überbewertet werden. Dies kann durch die Verwendung eines zu hohen Wechselkurses geschehen. Dadurch wird diese Passivposition überbewertet und es entsteht eine stille Reserve.

Rücklagen

Möchte ein Unternehmen eine Investition tätigen, legt es in der Regel zunächst Rücklagen an. Gibt es dann aber weniger für die Investition aus als ursprünglich kalkuliert, bleibt ein Teil der Rücklage im Unternehmen, wodurch eine stille Reserve entsteht.

Was sind die Vor- und Nachteile stiller Reserven?

Doch bevor Sie nun stille Reserven anlegen, ist es zunächst wichtig, herauszufinden, ob die Vor- oder Nachteile von stillen Reserven überwiegen:

Vorteile

Die Bildung stiller Reserven bringt neben der Rücklage für schlechte Zeiten einen weiteren klaren Vorteil für Unternehmen: temporäre Steuervorteile. Denn mithilfe der stillen Reserven kann ein Unternehmen seine Steuerlast ganz legal auf mehrere Jahre verteilen.

In gewinnbringenden Jahren empfiehlt sich die Bildung von stillen Reserven, um in diesen Jahren die Steuerlast zu senken. In den Jahren, in denen das Geschäft schlechter läuft, können die stillen Reserven dann wieder aufgelöst werden, um so Liquiditätsengpässe auszugleichen oder zu verhindern, dass Verluste eingefahren werden. Im Rahmen der Auflösung müssen nun aber auch die zuvor gesparten Steuern beglichen werden.

Stille Reserven bieten einem Unternehmen also eine gewisse Sicherheit für schlechte Zeiten und sorgen dafür, dass es auch in Krisensituationen ein gutes Image bewahrt und seine Kreditfähigkeit behält.

Dass der Gewinn kleiner erscheint, als er tatsächlich ist, hat noch einen weiteren Vorteil für Aktiengesellschaften: Durch die Bildung von stillen Reserven müssen weniger Gewinnanteile ausgeschüttet werden, was dazu führt, dass das Unternehmen mehr Gelder zur Finanzierung von Investitionen oder zum Schuldenabbau zur Verfügung hat. Wenn die stillen Reserven dann in schlechten Geschäftsjahren wieder aufgelöst werden, werden dafür anteilig mehr Gewinne ausgeschüttet, was eine gleichmässigere Dividendenpolitik zur Folge hat.

Nachteile

Die Tatsache, dass stille Reserven für Aussenstehende unsichtbar sind, hat aber auch einen Nachteil: Die Vermögenslage des Unternehmens erscheint schlechter, als sie wirklich ist. Dies kann sich negativ auf die Bewertung eines Unternehmens auswirken.

Ausserdem schwingt die Gefahr mit, dass sich ein Unternehmen selbst nicht über alle stillen Reserven, über die es verfügt, bewusst ist. Dann kann es passieren, dass es von der unter Umständen gewaltigen Steuerzahlung, die bei der Auflösung der stillen Reserven entstehen kann, unvorbereitet getroffen wird. Eine genaue Liquiditätsplanung ist darum unbedingt erforderlich.

Wie werden stille Reserven berechnet?

Wie eine stille Reserve berechnet werden kann, hängt davon ab, wie sie entstanden ist.

Um die stillen Reserven, die durch Ihre Vermögenswerte gebildet wurden, zu ermitteln, ist es erforderlich, dass Sie den aktuellen Marktwert des jeweiligen Vermögenswertes kennen. Sehen Sie anschliessend nach, mit welcher Summe er als Bilanzposten geführt wird. In diesem Fall lässt sich die stille Reserve wie folgt berechnen:

Stille Reserve = Marktwert – Buchwert

Haben Sie beispielsweise eine Immobilie für CHF 300‘000 erworben, dann wird sie mit diesem Wert in der Bilanz geführt. Nun lassen Sie sie allerdings schätzen, wobei ein aktueller Wert von CHF 400‘000 ermittelt wird. Daraus ergibt sich eine stille Reserve von CHF 100‘000.

Ähnlich verhält es sich mit Wertgegenständen, die Sie abgeschrieben haben. Ist eine Maschine vollständig abgeschrieben, wird sie in der Bilanz mit einem Wert von CHF 1.- geführt. Ermitteln Sie nun den Betrag, den Sie erhalten würden, wenn Sie die Maschine verkaufen, kennen Sie ihren tatsächlichen Wert. Würden Sie bei einem Verkauf noch CHF 1‘500 erhalten, dann beträgt die stille Reserve CHF 1‘499.

Wie werden stille Reserven aufgelöst?

Meistens lösen sich stille Reserven ganz von alleine auf. Nämlich unter anderem dann, wenn:

  • ein Vermögensgegenstand verkauft wird.
  • der Marktwert eines Vermögensgegenstandes wieder sinkt.
  • ein Vermögensgegenstand kaputt geht und entsorgt wird.
  • Schulden zurückgezahlt werden.

Allerdings besteht auch die Möglichkeit, eine stille Reserve aktiv in der Bilanz aufzulösen. Dazu ist es erforderlich, dass Sie den aktuellen Vermögenswert beziehungsweise die tatsächliche Höhe der Schulden ermitteln und den Wert entsprechend in der Bilanz angleichen.

Bei der Auflösung werden also Passiva abgewertet und Aktiva aufgewertet.

Wie ist die Gesetzeslage bezüglich stiller Reserven in der Schweiz?

In der Schweiz ist die Bildung von stillen Reserven nach dem aktuellen Obligationenrecht erlaubt. Sie dürfen praktisch unbegrenzt gebildet werden, da sie der Stärkung der Unternehmen dienen.

Während Art. 960a Abs. 4 OR also stille Reserven zulässt, besagt gleichzeitig Art. 958 Abs. 1 OR, dass der Jahresabschluss eines Unternehmens ein zuverlässiges Urteil über die wirtschaftliche Lage dieses Unternehmens erlauben soll. Trotz dieses Widerspruchs sind stille Reserven in der Schweiz nach wie vor erlaubt.

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Abb.: In der Schweiz ist die Bildung von stillen Reserven nach dem aktuellen Obligationenrecht erlaubt.

Das Gesetz gibt aber auch vor, dass der Gewinn, der sich bei der Auflösung einer stillen Reserve ergibt, versteuert werden muss. Darum ist es wichtig, dass Sie einen guten Überblick über alle stillen Reserven in Ihrem Unternehmen haben. Denn erzielen Sie durch die Auflösung einer hohen Menge an stillen Reserven grosse, nicht eingeplante Gewinne in einem Geschäftsjahr, dann kann dies unter Umständen zeitlich ungünstige Steuerzahlungen zur Folge haben. Wann genau stille Reserven aufgelöst werden, will also gut geplant sein.

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Häufig gestellte Fragen zu stillen Reserven

Wie viele stille Reserven darf man haben?

Gemäss dem Schweizer Obligationenrecht (Art. 960a Abs. 4) ist die Bildung von stillen Reserven praktisch unbegrenzt erlaubt.

Welche Arten von stillen Reserven gibt es?

Man unterscheidet bei den stillen Reserven zwischen Willkürreserven, Ermessensreserven und Zwangsreserven.

  • Ermessensreserven entstehen dann, wenn anstehende Zahlungen geschätzt werden, dabei allerdings zum Schutz des Unternehmens der zu zahlende Schuldenbetrag etwas höher eingeschätzt wird, als er tatsächlich ist.
  • Zwangsreserven müssen in manchen Fällen zwingend gebildet werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn im Unternehmen immaterielle Vermögensgegenstände wie Marken oder Verlagsrechte geschaffen werden. Diese nicht zu beziffernden Posten dürfen nicht Teil des Firmenvermögens werden und bilden somit eine stille Reserve.
  • Willkürreserven werden willkürlich gebildet und verstossen gegen gesetzliche Vorschriften. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Unternehmen Vermögenswerte absichtlich nicht als Bilanzposten ausweist, um die Steuerlast zu verringern.
Sind stille Reserven Eigenkapital?

Stille Reserven zählen zum Eigenkapital eines Unternehmens. Diese Art des Eigenkapitals taucht allerdings nicht in der Bilanz auf, wodurch der Wert des Unternehmens als kleiner erscheint, als er in Wirklichkeit ist.

Wo werden stille Reserven ausgewiesen?

Stille Reserven tauchen nicht im Jahresabschluss auf, da sie nicht in der externen Bilanz aufgeführt werden. Es existiert kein Buchungskonto für stille Reserven. Allerdings sollten sie in der internen Bilanz ausgewiesen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass man den Überblick über die tatsächliche finanzielle Lage des Unternehmens nicht verliert.

Was ist das Gegenteil von stillen Reserven?

Das Gegenteil von stillen Reserven sind stille Lasten. Stille Lasten werden dann gebildet, wenn ein Unternehmen Schulden zu niedrig ansetzt oder seine Vermögensgegenstände zu hoch einschätzt. Die Bildung von stillen Lasten ist allerdings im Allgemeinen, unter anderem aufgrund des Vorsichtsprinzips, nicht erlaubt.

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