Wofür werden Rückstellungen gebildet?
Rückstellungen werden für ungewisse Verbindlichkeiten im Folgejahr gebildet, deren Höhe oder Fälligkeit noch nicht genau feststeht. Also unter anderem
- Steuerzahlungen
- Pensionszahlungen
- Garantieleistungen
- Prozesskosten
- Restrukturierungen
- drohende Verluste aus Verträgen
Rückstellungen dienen somit der Sicherung der finanziellen Stabilität und Liquidität eines Unternehmens.
Warum werden Rückstellungen gebildet?
Es handelt sich bei Rückstellungen um mögliche zukünftige Zahlungsverpflichtungen, bei denen ein Unternehmen noch nicht weiss ob, wann und in welcher Höhe sie eintreten. Darum legt es einen gewissen Geldbetrag dafür zurück, um gegebenenfalls der Zahlungsverpflichtung nachkommen zu können.
Rückstellungen dienen somit der finanziellen Absicherung von möglichen Verbindlichkeiten im kommenden Geschäftsjahr. Da sie als Aufwand erfasst werden, verringern sie den Unternehmensgewinn zum Jahresabschluss und reduzieren dadurch die Steuerlast. Zudem sind Rückstellungen gemäss des Vorsichtsprinzips (Art. 958c OR) in vielen Fällen gesetzlich vorgeschrieben.
Die drei Hauptgründe für die Bildung von Rückstellungen sind somit:
- Absicherung für zukünftige finanzielle Verpflichtungen
- Reduzierung von Gewinn und Steuerlast
- Erfüllung gesetzlicher Vorgaben
Wichtig ist allerdings zu beachten, dass nur dann Rückstellungen gebildet werden dürfen, wenn greifbare Gründe dazu vorliegen. Ansonsten kann dies als Verwässerung der Bilanz oder gar als Straftat gewertet werden.
Welche Arten von Rückstellungen gibt es?
Es werden zwei grundlegende Arten von Rückstellungen unterschieden: Schuldrückstellungen und Aufwandsrückstellungen.
- Schuldrückstellungen: Verbindlichkeiten gegenüber Dritten (Vertragspartner).
- Aufwandsrückstellungen: Verbindlichkeiten gegenüber sich selbst.
Schuld- und Aufwandsrückstellungen können weiter in Unterkategorien unterteilt werden, die je nach Zweck der Rückstellung unterschieden werden.
a) Schuldrückstellungen
Schuldrückstellungen zeichnen sich dadurch aus, dass ein Vertrag mit einem Dritten besteht, der besagt, dass eine gewisse Geldsumme gezahlt werden muss. Die genaue Höhe und der genaue Zeitpunkt sind aber noch unbekannt. Um der Zahlungsverpflichtung bei Fälligkeit nachkommen zu können, werden Rückstellungen gebildet.
Steuerrückstellungen
Rückstellungen für noch nicht gezahlte, aber absehbare Steuerverpflichtungen, die im aktuellen Geschäftsjahr entstanden sind und deren Höhe noch nicht endgültig festgelegt ist. Dazu zählen beispielsweise Einkommens-, Gewerbe-, Körperschafts- oder Umsatzsteuer.
Beispiel: Die Müller Maschinenbau AG ist ein mittelständisches Unternehmen, das seit Jahrzehnten Industriemaschinen produziert. Das Geschäft läuft gut, doch der Finanzchef Herr Schneider weiss, dass das Unternehmen sich auf zukünftige Zahlungsverpflichtungen vorbereiten muss, um finanziell gut aufgestellt zu sein und dem Entstehen unvorhergesehener finanzieller Engpässe vorzubeugen.
Das Geschäftsjahr ist fast vorbei, aber die endgültige Steuerabrechnung durch das Finanzamt steht noch aus. Um nicht überrascht zu werden, legt das Unternehmen Steuerrückstellungen für die voraussichtlichen Steuerverpflichtungen an.
Pensionsrückstellungen
Rückstellungen für zukünftige Verpflichtungen aus betrieblicher Altersvorsorge an Mitarbeitende. Diese Rückstellungen dürfen allerdings nur dann gebildet werden, wenn zwischen Arbeitgebendem und Arbeitnehmendem eine Betriebsrente schriftlich vereinbart wurde. Da der Arbeitgebende bei der Vereinbarung der betrieblichen Altersvorsorge noch nicht weiss, wann und wie lange der Mitarbeitende die Rente beanspruchen wird, wird eine Rückstellung gebildet.
Beispiel: Einige langjährige Mitarbeitende stehen kurz vor der Rente. Da die Maschinenbau AG eine Betriebsrente zahlt, muss Herr Schneider sicherstellen, dass genügend Mittel bereitstehen, um diese später auszahlen zu können. Deshalb bildet er Pensionsrückstellungen.
Prozessrückstellungen
Rückstellungen für erwartete Kosten aus laufenden oder drohenden Gerichtsverfahren.
Beispiel: Ein ehemaliger Geschäftspartner hat das Unternehmen verklagt und fordert Schadensersatz. Der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss, aber um vorbereitet zu sein, wird eine Prozessrückstellung für mögliche Kosten gebildet.
Garantie- und Gewährleistungsrückstellungen
Rückstellungen für voraussichtliche Kosten aus Gewährleistungsverpflichtungen oder Produktgarantien, damit das Unternehmen im Falle von eintretenden Reparaturfällen, Ersatzlieferungen oder Erstattungen die nötigen Gelder zur Verfügung hat.
Beispiel: Da das Unternehmen eine zweijährige Garantie bietet, muss es möglicherweise Reparaturen oder einen Austausch finanzieren – ob, wann und was nachgebessert werden muss, weiss das Unternehmen allerdings nicht. Daher bildet Herr Schneider eine Garantie-Rückstellung. Nun meldet ein Kunde Probleme mit einer gelieferten Maschine. Die Maschinenbau AG löst die für diesen Fall gebildete Rückstellung auf und bezahlt damit die Reparatur.
Provisionsrückstellungen
Rückstellungen, die gebildet werden, wenn im aktuellen Geschäftsjahr Verkaufserlöse o. ä. stattfanden, wodurch eine Verpflichtung zur Provisionszahlung an Dritte – beispielsweise Mitarbeitende oder Vetriebspartner – entstand. Der Zeitpunkt und die Höhe dieser Provisionszahlung stehen noch nicht fest.
Beispiel: Die Vertriebsmitarbeitenden der Maschinenbau AG erhalten Provisionen für abgeschlossene Verkäufe. Da einige Verkäufe kurz vor dem Bilanzstichtag getätigt wurden, steht die genaue Höhe der Provisionszahlungen noch nicht fest. Um diese später begleichen zu können, bildet das Unternehmen Provisionsrückstellungen.
b) Aufwandsrückstellungen
Anders als bei Schuldrückstellungen geht das Unternehmen bei Aufwandsrückstellungen gegenüber sich selbst eine Verpflichtung ein.
Instandhaltungsrückstellungen
Rückstellungen für erwartete anstehende Reparaturen im nächsten Geschäftsjahr, deren Zeitpunkt und Kostenhöhe noch nicht genau bekannt ist.
Beispiel: Eine der grossen Produktionsmaschinen benötigt dringend eine Generalüberholung. Die Wartung soll aber erst im nächsten Geschäftsjahr durchgeführt werden. Damit die Kosten bereits jetzt eingeplant sind, bildet die Müller Maschinenbau AG Instandhaltungsrückstellungen.
Kulanzrückstellungen
Rückstellungen für Reparaturen nach Ablauf der Gewährleistungszeit.
Beispiel: Ein Kunde meldet sich mit einem Defekt, obwohl die Garantiezeit abgelaufen ist. Um die Kundenbeziehung zu erhalten, entscheidet die Maschinenbau AG, die Reparatur aus Kulanz zu übernehmen. Für diese Fälle bildet das Unternehmen Kulanzrückstellungen.
Jahresabschluss- und Prüfungsrückstellungen
Rückstellungen, die für noch ausstehende Kosten des Jahresabschlusses bzw. dessen Prüfung gebildet werden. Denn die Erstellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie das Engagieren eines Wirtschaftsprüfers sind mit Kosten verbunden, deren Höhe im aktuellen Geschäftsjahr noch nicht feststeht. Die tatsächlichen Kosten fallen erst im Folgejahr an, die Verpflichtung zur Erstellung und Prüfung des Jahresabschlusses entsteht allerdings im laufenden Geschäftsjahr, weshalb nun bereits eine Rückstellung dafür gebildet werden muss.
Beispiel: Das Unternehmen muss seinen Jahresabschluss von einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kontrollieren lassen. Da diese Dienstleistung erst im nächsten Jahr abgerechnet wird, werden Rückstellungen für die Prüfungskosten gebildet.
Umweltrückstellungen
Rückstellungen für Sanierungs- oder Entsorgungskosten oder für zukünftige Umweltschutzaufwendungen und -verpflichtungen, die durch gesetzliche Vorgaben entstehen können.
Beispiel: Bei einer Umweltprüfung stellt sich heraus, dass ein altes Firmengelände noch Bodenverunreinigungen aus früherer Produktion enthält. Die Müller Maschinenbau AG wird voraussichtlich für die Sanierung dieses Firmengeländes aufkommen müssen, weshalb sie Umweltschutzrückstellungen bildet.
Restrukturierungsrückstellungen
Rückstellungen für geplante Umstrukturierungen, z. B. Abfindungen oder Schliessungskosten.
Beispiel: Wegen der zunehmenden Automatisierung plant das Unternehmen eine Neustrukturierung. Einige Arbeitsplätze werden wegfallen, weshalb Abfindungen finanziert werden müssen. Dafür bildet Herr Schneider Restrukturierungsrückstellungen.
c) Drohverlustrückstellungen
Ein Sonderfall sind die sogenannten Drohverlustrückstellungen. Diese Form der Rückstellungen wird für erwartete Verluste aus Verträgen gebildet. Dies ist vor allem bei schwebenden Geschäften notwendig – also immer dann, wenn mindestens ein Vertragspartner die vertraglich vereinbarte Leistung noch nicht erbracht hat. Vorsichtshalber wird hierbei davon ausgegangen, dass Verluste gemacht werden.
Beispiel: Die Maschinenbau AG hat sich vertraglich verpflichtet, eine grosse Maschinenlieferung zu einem festen Preis durchzuführen. Doch inzwischen sind die Materialkosten stark gestiegen, sodass das Unternehmen beim aktuellen Preis Verluste machen wird. Da diese Verluste vorhersehbar sind, bildet Herr Schneider Drohverlustrückstellungen.
Welche Voraussetzungen müssen für die Bildung von Rückstellungen erfüllt sein?
Eine Rückstellung darf nur dann gebildet werden, wenn die Kostenursache der Rückstellung im aktuellen Geschäftsjahr liegt und wenn das Bestehen, die Höhe und der Zeitpunkt der Inanspruchname der Rückstellung zwar ungewiss, aber dennoch wahrscheinlich ist.
Beispiel: Die Müller Maschinenbau AG bildet die Rückstellung für einen Garantiefall in dem Jahr, in dem sie die Maschine verkauft. Es ist zwar ungewiss, ob ein Garantiefall eintritt, aber doch wahrscheinlich, weshalb das Unternehmen finanziell abgesichert sein muss.
Wie werden Rückstellungen gebildet?
Die Bildung von Rückstellung erfolgt in mehreren Schritten:
- Ermittlung des Bedarfs: Identifikation einer ungewissen Verbindlichkeit oder eines künftigen Aufwands (z. B. Steuern, Prozesskosten, Garantieansprüche).
- Bewertung: Schätzung der voraussichtlichen Höhe der Verpflichtung, basierend auf Erfahrungswerten, Gutachten oder gesetzlichen Vorgaben.
- Buchung in der Bilanz: Rückstellungen werden als Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz im Haben verbucht. Der Buchungssatz lautet in der Regel «Aufwand an Rückstellungen».
- Periodische Anpassung: Falls sich die erwarteten Kosten oder die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ändern, müssen Rückstellungen erhöht, verringert oder aufgelöst werden.
- Auflösung und Verwendung: Sobald die Zahlungsverpflichtung eintritt, wird die Rückstellung aufgelöst und zur Begleichung der tatsächlichen Kosten genutzt. Falls der erwartete Aufwand entfällt, wird die Rückstellung erfolgswirksam aufgelöst.
Wie werden Rückstellungen aufgelöst?
Die Auflösung von Rückstellungen erfolgt, wenn der Grund für ihre Bildung entfällt oder die tatsächlichen Kosten feststehen. Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:
1. Verwendung der Rückstellung: Rückstellungsbetrag = Auszahlungsbetrag
Die erwartete Verpflichtung tritt ein und der zurückgestellte Betrag entspricht genau den tatsächlich angefallenen Kosten. Die Auflösung der Rückstellung ist demnach erfolgsneutral. Da die Ausgabe bereits geplant war, entsteht weder ein Verlust noch ein Gewinn für das Unternehmen – denn die Zahlung entspricht exakt der zuvor angesetzten Summe.
Beispiel: Der Garantiefall tritt ein und die Müller Maschinenbau AG muss für die Reparatur der Maschine aufkommen. Sie hat dafür eine Rücklage in Höhe von CHF 350 gebildet, und die Reparatur kostet dann auch tatsächlich CHF 350. Die Maschinenbau AG macht mit dem Auflösen der Rückstellung und dem Begleichen der Reparaturkosten also weder Gewinn noch Verlust.
2. Verwendung der Rückstellung: Rückstellungsbetrag > Auszahlungsbetrag
War die Rückstellung höher als die notwendige Auszahlung, muss ein sonstiger betrieblicher Ertrag (Gewinn) verbucht werden.
Beispiel: Statt der zurückgelegten CHF 350 kostet die Reparatur der Maschine lediglich CHF 200. Die Maschinenbau AG hat also CHF 150 zu viel zurückgestellt, da die Reparaturkosten geringer ausfallen als erwartet. Somit wird der Restbetrag in der Buchhaltung als Gewinn verbucht.
3. Verwendung der Rückstellung: Rückstellungsbetrag < Auszahlungsbetrag
War die Rückstellung zu gering, muss in der Buchhaltung ein sonstiger betrieblicher Aufwand (Verlust) festgehalten werden.
Beispiel: Anstatt der zurückgestellten CHF 350 kostet die Reparatur der Maschine CHF 400. Die Müller Maschinenbau AG hat also zu wenig Rückstellungen gebildet, da sie CHF 50 mehr bezahlen muss als vermutet. Somit muss in der Buchhaltung ein Verlust von CHF 50 gebucht werden.
4. Ertragswirksame Auflösung
Es kann aber auch sein, dass die Situation, für die die Rückstellung gebildet wurde, nicht eintritt und die Rückstellung somit nicht benötigt wird. In diesem Fall wird die Rückstellung aufgelöst und der gesamte zurückgestellte Betrag als sonstiger betrieblicher Ertrag (Gewinn) verbucht.
Beispiel: Es sind mittlerweile seit dem Verkauf der Maschine zwei Jahre vergangen. Der Garantieanspruch ist daher vorbei, ohne dass die Maschine repariert werden musste. Somit benötigt die Müller Maschinenbau AG die Rückstellung von CHF 350 nicht und verbucht die gesamten CHF 350 als Gewinn.
5. Neubewertung und Anpassung
Es kann auch vorkommen, dass die Rückstellung nach einiger Zeit anders bewertet wird als zu Beginn. In diesem Fall kann die Rückstellung neu bewertet und erhöht oder reduziert werden.
Beispiel: Die Müller Maschinenbau AG erkennt, dass typische Reparaturkosten der Maschine CHF 350 überschreiten. Da die durchschnittliche Höhe der Reparaturkosten bei CHF 500 liegt, erhöht sie die Rückstellung um CHF 150.
Was ist der Unterschied zwischen Rückstellungen und Rücklagen?
Rückstellungen und Rücklagen sind zwar beide auf der Passivseite der Bilanz zu finden, sie unterscheiden sich aber grundlegend in ihrem Verwendungszweck.
| Rückstellungen | Rücklagen |
Zweck | Bildung zur Deckung drohender, aber noch ungewisser Verbindlichkeiten. | Bildung zur Deckung drohender Verluste, zur Stärkung des Eigenkapitals und zur Finanzierung zukünftiger Investitionen. |
Zugehörigkeit | Fremdkapital (da Schulden) | Eigenkapital (gehört dem Unternehmen) |
Buchung | Buchung als Aufwand, sie mindern also den Gewinn. | Buchung als Eigenkapital, sie erhöhen also das Eigenkapital. |
Verpflichtung | Bildung ist notwendig aufgrund von gesetzlichen Vorschriften oder vorsichtiger Schätzung, um noch ungewissen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. | Bildung ist notwendig aufgrund von gesetzlichen Vorschriften oder Unternehmensentscheidungen, um Eigenkapitalreserven zu erhöhen. |
Beispiele | Pensionsrückstellungen, Steuerrückstellungen, Garantieverpflichtungen | Gewinnrücklagen, Kapitalrücklagen, gesetzliche Rücklagen |