Die Schweiz ist ein KMU-Land. Viele Unternehmen sind Aktiengesellschaften und benötigen einen Verwaltungsrat. Je nach Situation empfiehlt sich zudem ein externer Beirat. Doch wie finden sich Kleinunternehmen und erfahrene Strategieprofis? Gespräch mit Dominic Lüthi*, Gründer und Geschäftsführer von VRMandat.com über den idealen Verwaltungsrat für KMU.
In einem Satz erklärt: Welche Aufgaben hat ein Verwaltungsrat?
Dominic Lüthi: Der Verwaltungsrat ist das oberste Exekutivorgan, dem die Führung der Geschäfte einer Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht obliegt.
Wie sieht der typische Schweizer Verwaltungsrat aus?
Fast 70% aller Aktiengesellschaften in der Schweiz haben eine Grösse zwischen einem und 10 Mitarbeitenden. Speziell in kleineren Unternehmen gibt es Optimierungspotenzial; viele schöpfen das strategische Element «optimale VR-Zusammenstellung» zu wenig aus.
Eine Studie der Kalaidos Fachhochschule zeigt, dass viele VR-Gremien zu wenig durchmischt oder überaltert sind. Dies kann dann zum Problem werden, wenn neue Herausforderungen anstehen. Denken Sie zum Beispiel an eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens, die Digitalisierung oder an neue Gesetze, mit denen sich das Unternehmen auseinander setzen muss.
Wie gross sollte ein Verwaltungsrat in einem KMU idealerweise sein?
Wir schlagen ein VR-Gremium von 3 bis 5 Personen vor. Von Einpersonen-Verwaltungsräten ist aus verschiedenen Gründen abzuraten: Einerseits wegen der fehlenden Reflexion, andererseits können sich diese Verwaltungsräte selber keine Decharge erteilen.
3 bis 5 Personen ist die ideale Grösse eines VR in einem KMU - auch in einem Familienunternehmen
Gibt es eine «Faustregel», welche Kompetenzen innerhalb eines Verwaltungsrats eines Kleinunternehmens abgedeckt werden sollten?
Es wird heute auch in der KMU-Welt immer klarer wahrgenommen, dass der Verwaltungsrat mit wichtigen, nicht delegierbaren Pflichten beauftragt ist. Einige Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder lassen sich aus den vom Schweizer Obligationenrecht vorgeschriebenen Kernaufgaben ableiten – aber längst nicht alle. Das Board sollte neben Finanz-, HR-, IT- und Strategieerfahrung auch ausreichend rechtliche Kenntnisse haben. Nützlich ist auch Kommunikations- und Digitalisierungskompetenz sowie Markt- und Branchenerfahrung.
Viele Kleinunternehmen sind Familienunternehmen. Was sollen diese speziell beachten?
Wir raten, mindestens eine externe und unabhängige Person im Verwaltungsrat zu haben.
Und Neugründer: Wie kommen diese an Profis mit unternehmerischer Erfahrung und Kontakten?
Vor allem Jungunternehmer sollten ihren Verwaltungsrat sorgfältig zusammenstellen und/oder einen Beirat installieren, um die Management-Kompetenz zu erhöhen. Wir empfehlen Startups, zwei strategieerfahrene, aussenstehende Personen im VR oder Beirat zu haben.
Viele VR-Gremien sind zu wenig durchmischt oder überaltert
Sie betreiben die Plattform VRMandat.com: Wie funktionierts?
Potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten tragen sich in unsere Datenbank ein, wobei die Profile anonymisiert werden. KMU, Neugründer oder Stiftungen können in der Datenbank nach Wunschkriterien filtern und potenzielle Kandidaten finden. Zurzeit sind gegen 1000 Personen in der Datenbank und eine Handvoll Unternehmen suchen einen VR oder Beirat.
Welche Vor- und Nachteile entstehen, wenn man Verwaltungsräte online sucht?
Vorteile
- Vorteile der Online-Suche: Effizient, diskret, kostenschonend
- Vorteile fürs Unternehmen: Zugang zu grösserem Kompetenzportfolio und Unabhängigkeit potenzieller Kandidaturen. Das ist ein zunehmend wichtiger Aspekt der Vielfalt in Verwaltungsräten, wie Spezialisten wie GetDiversity bestätigen
Nachteile
- Für einige Unternehmen ist es immer noch eine Hemmschwelle, nach einer aussenstehenden Person für den VR zu suchen
- Weiter empfiehlt es sich, mit Sachverstand nach neuen Verwaltungsräten zu suchen. Dies ist durch die Online-Plattform nicht automatisch gegeben.
Für Startups: Zwei strategieerfahrene, aussenstehende Personen im VR oder Beirat
Dominic Lüthi
Dominic Lüthi ist Gründer und Geschäftsführer von VRMandat.com, dessen Grundstein er 2009 während seines MBA-Studiums mit der Masterthesis «Optimale VR-Komposition in Schweizer KMU» gelegt hatte und heute mit einem Team von Spezialisten und Partnerunternehmen betreibt.
