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14. JANUAR 2025

Die Änderungskündigung in der Schweiz

Neues Jahr, neues Glück – mit einer neuen Orientierung und einer Reorganisation soll die Erfolgsgeschichte eines Unternehmens fortgeschrieben werden. Solche Schritte bringen jedoch Anpassungen mit sich: Löhne, Ferienregelungen und Arbeitszeiten müssen kontinuierlich überarbeitet werden, um den wirtschaftlichen und betrieblichen Anforderungen gerecht zu werden. Dabei stehen die Mitarbeitenden als Schlüssel zum Erfolg im Mittelpunkt. Die Hoffnung auf neue Möglichkeiten ist gross, doch bleibt die Unsicherheit, ob die Mitarbeitenden die Veränderungen mittragen. In solchen Situationen kann eine Änderungskündigung für Arbeitgebende ein geeigneter Weg sein, um die notwendigen Anpassungen umzusetzen. Damit es nicht zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt, müssen Voraussetzungen und Fristen beachtet werden. Im Zusammenhang mit der Änderungskündigung stellen sich mehrere Fragen: Was ist eine Änderungskündigung und welche Formen gibt es? Wann ist eine Änderungskündigung in der Schweiz zulässig und wann nicht? Welche Konsequenzen haben unzulässige Änderungskündigungen? Kann eine Änderungskündigung abgelehnt werden? Interessante Fragen, die wir in diesem Blogbeitrag beantworten.

In diesem Beitrag

Welche Anpassung führten zu einer Vertragsänderung?

Im Laufe eines Arbeitsverhältnisses kann es z. B. aus betrieblichen Gründen notwendig sein, Änderungen und Anpassungen an einem Arbeitsvertrag vorzunehmen. Ein Arbeitsvertrag kann grundsätzlich nicht einseitig abgeändert werden.

Nicht jede Anpassung setzt die Änderung eines Arbeitsvertrags voraus. Vertragsänderungen sind abzugrenzen von Anordnungen der Arbeitgebenden im Rahmen ihres Weisungsrechts (vgl. Art. 321d OR), die sie einseitig ausüben können. Gemäss Art. 321d OR kann der Arbeitgebende über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmenden im Betrieb oder Haushalt allgemeine Anordnungen erlassen und ihnen besondere Weisungen erteilen.

Beispiel: Arbeitgebende können Verhaltensanweisungen erteilen, die auf das Verhalten im Betrieb bezogen sind. Beispiele wären das Aussprechen eines Rauchverbots oder Anweisungen zur Benutzung von Betriebseinrichtungen für private Zwecke (dazu auch Basler Kommentar (BSK) OR I-Portmann/Rudolph, Art. 321d N 3)

Möchten Arbeitgebende jedoch Anpassungen vornehmen, die beispielsweise den Lohn, die Ferien oder die vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten betreffen, so ist zwingend eine Änderung des Arbeitsvertrags notwendig (vgl. BSK OR I-Portmann/Rudolph, Art. 335 N 9).

Beispiel: Zum wesentlichen Vertragsinhalt zählen z. B. die Bestimmung des Umfangs und der Lage von Arbeitszeiten, da sich das Arbeitspensum und der Lohn nach der zur Verfügung gestellten Arbeitszeitdauer richten. Diese können somit grundsätzlich nicht einseitig abgeändert werden (siehe hierzu auch weitere Ausführungen im Buch von Riemer-Kafka, Einseitige Arbeitszeitveränderungen durch den Arbeitgeber, in AJP 3/2017, S. 312 ff., S. 3).

Sind Arbeitnehmende mit der Änderung des Arbeitsvertrags jedoch einverstanden, so kann der Arbeitsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen grundsätzlich jederzeit angepasst werden (Riemer-Kafka, Einseitige Arbeitszeitveränderungen durch den Arbeitgeber, in AJP 3/2017, S. 312 ff., S. 8).

Herausforderungen können entstehen, wenn Arbeitnehmende einer geplanten Änderung nicht zustimmen.

Was ist eine Änderungskündigung?

ℹ️ Wenn sich Arbeitnehmende und Arbeitgebende über die Vertragsänderung nicht einigen können, muss das Arbeitsverhältnis nicht zwingend mittels Kündigung beendet werden. Möchten Arbeitgebende das Arbeitsverhältnis mit den gewünschten Änderungen weiterführen (Weiterführung mit veränderten Rechten und Pflichten), können sie eine Änderungskündigung aussprechen. Mit der Änderungskündigung besteht die Möglichkeit, den bestehenden Vertrag zu kündigen und gleichzeitig einen Gegenvorschlag zur Weiterarbeit an die angepassten Vertragsbedingungen zu offerieren.

(KUKO OR-Schwaibold, Art. 335 N 13; BGE 123 III 246)

Welche Formen der Änderungskündigung gibt es?

Es werden vor allem zwei Formen der Änderungskündigung unterschieden: Die Änderungskündigung im engeren Sinne (auch eigentliche Änderungskündigung genannt) und die Änderungskündigung im weiteren Sinne, auch uneigentliche Änderungskündigung.

Bei der Änderungskündigung im engeren Sinne kündigt eine Partei das Arbeitsverhältnis, verbindet ihre Kündigungserklärung aber gleichzeitig mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.

Bei der Änderungskündigung im weiteren Sinne gibt die kündigende Partei der anderen Partei zuerst die Möglichkeit, die vorgeschlagene Änderung zu akzeptieren (Offerte/ Gegenvorschlag zur Weiterarbeit). Wird der Änderungsvorschlag nicht akzeptiert, so folgt die ordentliche Kündigung separat. Dies heisst, dass es gar nie zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommt, wenn eine Partei die Änderung annimmt.

(vgl. BGE 123 III 246, E. 3)

Quelle: Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG
Quelle: Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG

Wann ist eine Änderungskündigung in der Schweiz zulässig?

Grundsätzliche Zulässigkeit

Die Änderungskündigung ist im Schweizer Obligationenrecht (OR) nicht gesetzlich geregelt. Eine Änderungskündigung gilt, obwohl sie für Arbeitnehmende oft nachteilig ist, gemäss der bundesgerichtlichen Praxis als zulässig. Das Bundesgericht entschied in seinem Urteil BGE 123 lll 246, dass Arbeitgebende die Arbeitsbedingungen anpassen können müssen, wenn wirtschaftliche oder betriebliche Gründe dies erfordern.

Voraussetzungen einer Änderungskündigung

Damit eine Änderungskündigung rechtlich korrekt erfolgt, müssen einige Punkte zwingend beachtet werden:

  • Die Änderung muss sachlich (z. B. marktbedingt oder betrieblich) gerechtfertigt sein.

  • Die Kündigungsfrist muss eingehalten werden, womit die Änderung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist wirksam wird.

  • Die Kündigung darf nicht als Druckmittel verwendet werden und somit nicht missbräuchlich sein. Die Grenze zur Missbräuchlichkeit ist überschritten, wenn eine unbillige und sachlich nicht gerechtfertigte Vertragsverschlechterung durchgesetzt werden soll (vgl. hierzu BGE 123 lll 246; Senti, in: Fachhandbuch Arbeitsrecht, N 4.158 ff.; BSK OR I-Portmann/Rudolph, Art. 336 N 30b).


Ein Beispiel für eine zulässige Änderungskündigung illustriert ein aktueller Entscheid des Bundesgerichts: Mit der Änderungskündigung wollte der Arbeitgebende per Ende der Kündigungsfrist eine Reduktion des Beschäftigungsgrades von 100 % auf 80 % erwirken. Das kantonale Gericht stellte fest, dass die vom Arbeitgebenden vorgeschlagenen Massnahmen - eine Reduzierung des Arbeitspensums der Arbeitnehmerin und die gleichzeitige Einstellung einer zusätzlichen Arbeitskraft - geeignet waren, die Arbeitsbelastung der Arbeitnehmerin zu verringern. Zudem wurden diese Massnahmen als zumutbar beurteilt und ihre Ankündigung erfolgte weder auf brutale, böswillige noch rücksichtlsose Weise (BGer 4A_327/2023, Urteil vom 18. Januar 2024).

Einhaltung Kündigungsschutz

Zu beachten ist in jedem Fall der Grundsatz, dass bei Änderungskündigungen dieselben allgemeinen Vorschriften wie bei einer ordentlichen Kündigung, insb. der Kündigungsschutz, gelten (vgl. hierzu Senti, in: Fachhandbuch Arbeitsrecht, N 4.158 ff.).Daraus folgt:

  • Die gesetzlich (vgl. Art. 335c OR) oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen sind einzuhalten. Die während der Kündigungsfrist bestehenden Vertragspflichten sind weiterhin zu erfüllen.

  • Sowohl der sachliche (vgl. Art. 336 OR) als auch der zeitliche (vgl. Art. 336c OR) Kündigungsschutz sind auch bei Änderungskündigungen anwendbar.

Beispiel: Eine Änderungskündigung darf nicht ausgesprochen werden bei Militärdienst oder bei Krankheit eines Arbeitnehmenden. In diesen (und weiteren) Fällen greift der Kündigungsschutz.

  • Die Vorschriften zur Massenentlassung sind auch bei Änderungskündigungen zu beachten (vgl. Art. 335d ff. OR).

Beispiele für zulässige Änderungskündigungen

Beispiel 1: Die X AG, Arbeitgeberin und Herr Müller haben einen Tätigkeitskreis vereinbart. Die X AG möchte diesen nun ändern. Die X AG ist unsicher, ob Herr Müller mit der Änderung des Tätigkeitskreises einverstanden wäre. In diesem Fall könnte die X AG den Tätigkeitskreis bspw. mittels einer Änderungskündigung anpassen (vgl. KUKO OR-Pietruszak, Art. 349 N 4).

Beispiel 2: Arbeitgebende, die die Anpassung von Leistungslöhnen vornehmen wollen, können die Änderung des Vertrags durch Aussprechen einer Änderungskündigung durchsetzen (Senti, in: Fachhandbuch Arbeitsrecht, N 4.143).

Beispiel 3: Für die Arbeitsverträge, die die Beispiel AG mit ihren Arbeitnehmenden hat, gilt ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Die Y AG möchte nun, dass die GAV-Bestimmungen im Rahmen des Einzelarbeitsvertrags nicht mehr gelten, wofür es einer Änderungskündigung bedarf (BSK OR I-Portmann/Rudolph, Art. 356c N 4). Sofern der Arbeitgebende freiwillig die Anwendbarkeit des GAV anerkannt hat, bei allgemeinverbindlich erklärten GAV (oder den allgemeinverbindlich erklärten einzelnen Bestimmungen) ist dies jedoch nicht möglich, resp. missbräuchlich.

Beispiel 4: Die Änderungskündigung, die einem Juristen aufgrund einer Unternehmensumstrukturierung neue Aufgaben zuwies, wurde als zulässig erachtet. Der Arbeitgebende hatte in gutem Glauben nach einer Lösung gesucht, um den Juristen im Unternehmen zu halten. Dabei wurden seine Fähigkeiten sowie seine Ausbildung als Anwalt angemessen berücksichtigt (dazu: BGer 4A_748/2012, Urteil vom 3. Juni 2013).

Zusammenfassend können Änderungskündigungen namentlich in folgenden Situationen sinnvoll sein:

  • Lohnreduktion

  • Änderung der Arbeitszeit

  • Änderung des Pensums

  • Veränderung des Tätigkeitskreises / Anpassung des Stellenbeschriebs

  • Änderung der Funktion im Betrieb

Wann ist eine Änderungskündigung in der Schweiz unzulässig und was sind deren Folgen?

Missbräuchlichkeit von Änderungskündigungen

In gewissen Fällen kann eine Änderungskündigung missbräuchlich und damit unzulässig sein. Eine für den Arbeitnehmenden nachteilige Änderung des Arbeitsvertrags ist jedoch nicht von Grund auf missbräuchlich. Ob eine Änderungskündigung missbräuchlich ist, ist im Einzelfall anhand des konkreten Sachverhalts zu prüfen

(vgl. Senti, in: Fachhandbuch Arbeitsrecht, N 4.158).

Es empfiehlt sich in jedem Fall, die Änderungskündigung gut und verständlich zu begründen.


Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Änderungskündigung missbräuchlich, wenn betriebliche oder marktbedingte Gründe für die Vertragsänderung fehlen und die Kündigung als Druckmittel verwendet wird, um die arbeitnehmende Partei zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen (BGE 123 III 246).

Betriebliche Gründe können sein: Restrukturierungen, Fusionen oder Rationalisierungsmassnahmen. Marktbedinge Gründe können aus Veränderungen am Markt entstehen oder beispielweise aus einem Nachfragerückgang seitens Kunden.

Beispiel: Der Arbeitgebende versuchte mittels Änderungskündigung eine Reduktion des Arbeitspensums von ca. 83 % auf 31 % durchzusetzen. Zudem habe der Arbeitgebende notwendige Schutzmassnahmen zugunsten der Arbeitnehmerin unterlassen. Die Arbeitnehmerin habe sich unter anderem über den Druck am Arbeitsplatz beklagt. Es liege eine Situation vor, in welcher der Arbeitgebende seine eigene Pflichtverletzung ausnutze und dabei eine sehr nachteilige Vertragsveränderung vorschlage. Dies stelle einen Rechtsmissbrauch dar (hierzu auch das Bundesgericht BGer 4A_166/2018, Urteil vom 20. März 2019).

Beispiel: Die Beispiel AG spricht Herrn Müller die Kündigung aus und teilt ihm gleichzeitig mit, dass die Kündigung zurückgezogen werde, wenn Herr Müller einer sofortigen Lohnsenkung zustimmt. Dies, obwohl Herr Müller eine Lohnsenkung bereits zuvor abgelehnt hatte. Eine solche Änderungskündigung wäre missbräuchlich (vgl. BGE 123 lIl 246, E. 4).

Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts

Das Bundesgericht hat betont, dass eine Kündigung nicht nur aufgrund ihres Kündigungsgrundes als missbräuchlich eingestuft werden kann, sondern auch durch die Art und Weise, wie das Kündigungsrecht ausgeübt wird.

Beispiel: Die Arbeitgeberin habe der Arbeitnehmerin eine Bedenkfrist (für die Annahme oder Ablehnung der Vertragsänderung) gesetzt. Sie habe diese Frist jedoch nicht abgewartet. Die Arbeitgeberin habe gemäss Bundesgericht, indem sie die Bedenkfrist nicht abgewartet hat, ein widersprüchliches Verhalten gezeigt und dadurch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen (hierzu vgl. BGer 8C_637/2022, Urteil vom 2. Juni 2023, E. 7.4 ff.).

Folgen einer unzulässigen Änderungskündigung

Art. 336a OR sieht eine Entschädigungspflicht vor (entspricht bis zu sechs Monate Lohn des Arbeitnehmenden) für den Fall, dass sich eine Kündigung als missbräuchlich herausstellt.

Eine missbräuchliche Kündigung beendet ein Arbeitsverhältnis jedoch trotzdem. Das heisst, der Arbeitgebende zahlt eine Entschädigung, ohne dass der Arbeitnehmende seine Arbeitsleistung erbringen muss.

Kann eine Änderungskündigung durch Arbeitnehmende abgelehnt werden?

Eine Änderungskündigung kann durch Arbeitnehmende angenommen oder abgelehnt werden.

Wird die mittels Änderungskündigung angezeigte Vertragsanpassung angenommen, so wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den neuen Bedingungen weitergeführt. Es liegt jedoch eine ununterbrochene Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses vor (dies ist bspw. bei der Berechnung der Sperrfristen oder der Kündigungsfrist wichtig).

Wird die Änderungskündigung (im engeren Sinne) abgelehnt, endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist. Erachten Arbeitnehmende die Kündigung als missbräuchlich, so kann die Partei die Kündigung innerhalb der Kündigungsfrist anfechten (vgl. Art. 336b OR). Damit kann sie die Änderungskündigung gerichtlich überprüfen lassen.

Bei Ablehnung einer Offerte zur Weiterarbeit bei der Änderungskündigung im weiteren Sinne hingegen dauert das Arbeitsverhältnis so lange weiter, bis das Arbeitsverhältnis schliesslich ordentlich gekündigt wird.

Die Annahme kann ausdrücklich «oder in engen Grenzen stillschweigend oder durch konkludentes Verhalten erfolgen» (Wildhaber, in: Fachhandbuch Arbeitsrecht, N 20.101). Sodann bedarf auch die Ablehnung nicht zwingend einer Schriftform (vertragliche Bestimmungen vorbehalten, vgl. auch BSK OR I-Portmann/Rudolph, Art. 320 N 32).

Es empfiehlt sich jedoch in jedem Fall, die Annahme bzw. die Ablehnung eines Änderungsvorschlags aus Beweisgründen schriftlich zu verlangen.

Lehnen Arbeitnehmende eine Änderung des Arbeitsvertrages ab und kommt es zur Änderungskündigung, könnte dies unter Umständen einen Einfluss auf das Arbeitslosengeld haben. Wenn die Arbeit im Sinne von Art. 16 AVIG weiterhin zumutbar gewesen wäre und Arbeitnehmende die Arbeitsvertragsveränderungen trotzdem ablehnen (vgl. Art. 45 Abs. 4 lit. b), besteht das Risiko, dass die Anspruchsberechtigung infolge selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit eingestellt wird.

Abb.: Arbeitnehmende können eine Änderung des Arbeitsvertrages ablehnen.
Abb.: Arbeitnehmende können eine Änderung des Arbeitsvertrages ablehnen.
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